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Rede zum Gendenken an Peter Deutschmann, 10.08.2017

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Peter Deutschmann Gedenken 2017 - Gegen das Vergessen

Heute möchten wir an Peter Deutschmann gedenken, der Opfer rechter Gewalt geworden ist. Er wurde vor 18 Jahren 1999 brutal von Escheder Neonazis getötet. Aber auch an alle anderen Opfer rechter Gewalt möchten wir erinnern, seit 1990 rund 200 Todesopfer rechter Gewalt, die namentlich genannt sind und wir möchten auch an die namentlich nicht genannten Oper rechter Gewalt erinnern. Sie wurden erschlagen, erstochen, erschossen und wir wollen an die Gründe erinnern, die zum Tode von Peter Deutschmann geführt haben.

Am 10.08.1999 wurde der 44-jährige Peter Deutschmann von dem 17-jährigen Neonazi Johannes Kneifel und dem 18-jährigen Neonazi Marco Siedbürger getötet. Peter Deutschmann kannte die Beiden und hatte schon mehrfach mit ihnen über ihre politischen Ansichten gestritten. Peter Deutschmann war ausländerfeindlichen Sprüchen stets verbal entgegengetreten, also gewaltfrei, und trug ein silberfarbenes Kreuz am Hals.

Kurz vor der Tat forderte Peter Deutschmann die Jugendlichen auf, den Scheiß mit dem Skinhead-Gehabe zu las-sen. Aus Wut über die Kritik verschafften sich die beiden Neonazis gewaltsam Zutritt zu Peter Deutschmanns Wohnung, zerrten Peter Deutschmann aus dem Bett und schlugen ihn sofort nieder. Am Boden liegend trat Johannes Kneifel mit seinen stahlkappenbewehrten Springerstiefeln auf ihn ein und zertrümmerte Peter Deutschmanns Kehlkopf. Sie traktierten ihr wehrloses Opfer weiter mit Glasscherben „Das Blut war bis 1,80 Meter Höhe an die Wände gespritzt“ berichtete vor Gericht ein Polizeibeamter. Stark blutend und mit zertrümmertem Kehlkopf ließen sie ihr Opfer zurück und zerstörten das Telefon um zu verhindern, dass er Hilfe holen konnte. Vor Gericht berichteten sie, dass sie dann seelenruhig nach Hause gegangen sind und sich schlafen gelegt haben.

Durch Peter Deutschmanns verzweifelte Hilferufe wurden Nachbarn aufmerksam und alarmierten die Polizei „Der Mann ist jämmerlich gestorben, er hat 3 ½ Stunden lang bis zu seinem Koma in Todesangst nach Luft gerungen“ so Staatsanwältin Marianne Neuhaus-Kleinecke im Prozess. Der Gerichtsmediziner zählte 22 Verletzungen. Peter Deutschmann erlag seinen schweren Verletzungen 24 Stunden später.

Das Landgericht Lüneburg verurteilte beide Täter zu einer fünfjährigen Gefängnisstrafe.

Im Dezember 1999 war in der Celleschen Zeitung zu lesen „Fünf Jugendliche des rechten Spektrums sind im Nordkreis seit 1997 durch Gewalttaten aufgefallen“. Müller von der Ohe vom Staatsschutz Celle berichtete, auffällig sei, dass über 80 % der Straftaten von nur drei Personen verübt wurden, zwei Personen davon säßen im Augenblick wegen des Skinhead-Mordes in Eschede in Untersuchungshaft. Das waren Johannes Kneifel und Marco Siedbürger.

Wie gleicht sich doch die Situation. Schon 1999 schauten die Escheder tatenlos dem Rassismus zu und ließen die Neonazis gewähren und heute sehen sie tatenlos den rechtsextremen Aktivitäten auf dem Hof Nahtz zu, wo sich neonazistische Täter aufhalten und die Täter von morgen sich treffen.

Peter Deutschmann mochte Songs von Bob Marley, deshalb trug er auch solche Rastalocken und die typische bunte Marley-Mütze. Peter Deutschmann wurde deshalb auch Hippie genannt. Wilfried Lilje, ein Freund von Peter Deutschmann, und Peter Deutschmann kannten sich seit den 70er Jahren. Damals legten sie als Discjockeys in der Diskothek Freedom in Altenhagen Platten auf. Auch der jetzige Landrat Klaus Wiswe war Discjockey im Freedom. Wilfried Lilje erinnerte sich auf einer Gedenkveranstaltung: „Peter war ein freundlicher lustiger Mensch, mit dem man gut auskommen konnte und der niemals Streit gesucht hat. Er war Pazifist durch und durch“.

Wir wollen in Eschede eine nachhaltige Auseinandersetzung mit rechter Gewalt und ihrer tödlichen Dimension und den rechtsextremen Aktivitäten auf dem Hof Nahtz.

Bei der Betrachtung der Frage, ob Eschede einen angemessenen Umgang mit dem Tod von Peter Deutschmann gefunden hat, treten erhebliche Zweifel auf. Nein, eigentlich nicht, muss man feststellen. Es gibt die Leute die aus ihrer humanistischen Grundhaltung und ihrem antifaschistischen Verständnis klar Stellung beziehen und in Eschede eine nachhaltige Auseinandersetzung mit rechter Gewalt und ihrer tödlichen Dimension fordern. Die Mehrheit verhält sich aber nach 18 Jahren immer noch indifferent. Im Mittelpunkt muss stehen, dass damals ein Mensch von Escheder Neonazis getötet wurde und nicht, wie es der Eindruck ist, dass befürchtet wird, dass wenn man sich mit dem Thema beschäftigt, der gute Ruf Eschedes beschädigt wird.

Es geht um eine Kultur der Erinnerung, Todesopfern rechter Gewalt öffentlich zu gedenken. Es geht um die Anerkennung des Charakters der Tat und dem Respekt für das Opfer. Respekt gegenüber Opfern rechter Gewalt wird oft nur denen entgegen gebracht, mit denen eine positive Identifikation stattfindet. Opfer, in deren Lebensumstände man sich nicht hineinversetzen will, wird gegenüber mit Abwehr reagiert. Im NDR-Interview 10.08.2012 äußert sich der Bürgermeister Günther Berg im Namen der Gemeinde „Man kannte den Mann zu wenig, er war zu wenig integriert“. So setzt sich bei Todesopfern rechter Gewalt, denen Anerkennung zu zollen wäre, die im Leben erfahrene Ausgrenzung und Missachtung über den Tod hinaus fort. Hätte Eschede auch so gehandelt wenn es sich bei dem Opfer um einen Schützenbruder, Pastor oder ein Ratsmitglied gehandelt hätte?

Ich glaube, wer schlimme Taten verdrängt, sie nicht wahrnimmt, fühlt sich auch nicht verpflichtet, etwas zu ändern. Es geht um ein aktives Gedenken statt schweigend zu ver-gessen.

Peter Deutschmann hatte den Mut, Neonazis und Rassisten entgegenzutreten. Sein Tod macht ganz besonders betroffen, weil Peter Deutschmann genau das getan hat was alle tun sollten, Gesicht zeigen, couragiert Rassismus und Diskriminierung entgegentreten.

Ein Umgang mit dem Thema könnte auch sein, zum Gedenken und als Mahnung jährlich in Eschede den Zivilcourage-Preis „Peter Deutschmann“ zu vergeben.

Als der Gedenkstein 2013 eingeweiht wurde sagte ein Ratsmitglied der Escheder SPD „Ich wünsche mir, dass mit der Aufstellung des Gedenksteines nicht eine Lösung gefunden wurde, um die Diskussion darüber in Eschede end-lich zu beenden. Nein, ich wünsche mir, dass dieses der Beginn für ein noch stärkeres Eintreten für unsere demokratische Grundordnung ist.“  Ja, an dieser Stelle kann man sich wieder fragen, was ist davon geblieben.

Ich fordere Eschede auf, aktiv zu gedenken statt schwei-gend zu vergessen.

Marco Siedbürger und Johannes Kneifel

Ich möchte noch einen Blick auf die Täter Marco Siedbürger, damals 18 Jahre alt, und Johannes Kneifel, damals 17 Jahre alt, werfen.

Im Niedersächsischen Verfassungsschutzbericht 1999 ist zu lesen, dass die beiden Skinheads polizeibekannt waren. Marco Siedbürger ist demnach seit 1997 als gewalttätiger Skinhead in Erscheinung getreten. So sind in der Vergangenheit gegen ihn zahlreiche Ermittlungsverfahren u. a. wegen des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Symbole und Volksverhetzung eingeleitet worden. Im Niedersächsischen Verfassungsbericht 1999 wird berichtet, dass 1997 Johannes Kneifel als Angehöriger der „Schutztruppe“ Teilnehmer bei der 7. Hetendorfer Tagungswoche war.

Marco Siedbürger knüpfte im Knast Kontakte in die rechte Szene und verblieb auch nach seinem Aufenthalt im Gefängnis in der rechten Szene. Er wurde Mitglied verschiedener militanter rechter Kameradschaften.

Johannes Kneifel wurde im Gefängnis mehrfach auffällig was Gewalt gegenüber Mithäftlingen anging, weshalb er nur zwei Monate vor dem eigentlichen Haftende den Knast verlassen durfte. Er studierte Theologie und ist als freier Prediger tätig.

Was unterscheidet sich von dem Täter Marco Siedbürger, der mit seiner Tat prahlt „Es ist schon mal einer liegen geblieben, das kann euch auch passieren. Ich weiß wenigstens wie man es richtig macht“ und dem Täter Johannes Kneifel, der über seine Tat ein Buch geschrieben hat. In einem Spiegelinterview äußert er sich über die Tatnacht, dass er inzwischen erhebliche Zweifel über die Rechtmäßigkeit der Haftstrafe hat, dass er einen Anruf erhielt, wonach Peter Deutschmann nicht auf Grund der zugefügten Verletzungen starb, sondern weil er die Hilfe eines Arztes nicht erhielt. 2012 kündigte Johannes Kneifel an, dass er den Fall erneut aufrollen will um entlastet zu werden. Schon merkwürdig, dass dies exakt mit der angekündigten Veröffentlichung des Buches geschehen ist. Sollen hier PR-Gründe die tragende Rolle gespielt haben? Der Titel des Buches wurde auch verändert, von „Neonazi – Mörder – Pastor Meine drei Leben“ in „Skinhead – Gewalttäter – Pastor Meine drei Leben“.

In der Sendung Nachtcafé auf sein Buch angesprochen, reagierte er voller Stolz und er machte auch sonst keinen Hehl daraus, dass er sich von dem Verkauf gutes Geld er-hofft, es sei ja schließlich eine gute Geschichte. Süddeut-sche.de 21.09.2012. Er tourt jetzt mit seiner „guten Geschichte“ durch Talkshows, Schulen, Kirchengemeinden.

Seit Jahren erzählt Johannes Kneifel, wie aus einem auswendig gelernten Vortrag in eingeübten Sätzen von seinem Lebensweg mit ausdruckslosem Gesicht. Der Name des Opfers fällt dabei jedoch nie. Als ob er ihn aus dem Gedächtnis tilgen will. Stattdessen schildert Johannes Kneifel sein trostloses Leben, mit weinerlichem Tonfall rutscht er immer wieder ins Selbstmitleid.

Da frage ich mich, was unterscheidet Marco Siedbürger von Johannes Kneifel.

Marco Siedbürger prahlt mit seiner Tat und Johannes Kneifel rühmt sich mit seiner guten Geschichte und verdient damit Geld.

Eschede

Ich möchte in diesem Zusammenhang aber auch ein Blick zum Hof Nahtz werfen. Nicht unweit von hier, auf dem Hof Nahtz treffen sich seit mehr als 20 Jahren auch Täter rechter Gewalt. Eschedes Bürgermeister Günther Berg äußerte sich 2008 „Diesen Treffen können wir nicht mehr tatenlos zusehen“. Auch hier meine Frage: Was ist daraus geworden?

In Eschede war schon vor dem Tod von Peter Deutschmann bekannt, dass schon seit mehreren Jahren eine rechte Jugendszene existiert. Spätestens seit Sommer 1997 war dies nicht mehr zu leugnen. Zu dieser Zeit fand die sogenannte „Hetendorfer Tagungswoche“ statt. Allein aus Eschede und direkter Umgebung kamen 11 Neonazis dorthin. Einer davon Johannes Kneifel.

Das Nazidorf Jamel kennen viele. Der Weg ins Dörfchen Jamel ist eine Sackgasse. Seit über 20 Jahren wird das Dorf stets in einem Atemzug mit Neonazis genannt. Es gibt u. a. Berichte über Kriegsspiele im Wald und ekstatische Sonnenwendfeiern.

In Eschede kennen viele den Nazihof Nahtz. Der Weg zum Hof ist auch eine Sackgasse. Seit über 20 Jahren finden auf dem Gelände regelmäßig ideologisch motivierte Veranstaltungen statt. Neben Zeltlagern von neonazistischen Vereinsorganisationen wie der im März 2009 verbotenen „Heimattreue Deutsche Jugend e. V.“ (HDJ), Sonnenwendfeiern, Musikveranstaltungen, Koordinierungs- und Vernetzungstreffen, kommt man hier ebenso für interne Schulungs- und Strategieveranstaltungen zusammen.

Reichskriegsflaggen sind in Jamel und Eschede zu finden.

Rechte präsentieren ungeniert ihre rechte Propaganda in Jamel und auch in Eschede.

Eine Zusammenrottung von Rechten und Sympathisanten liegt in Jamel und Eschede vor.

Waffenfunde gibt es in Jamel und in Eschede.

Wer Zivilcourage zeigt wird angefeindet und bedroht und in Eschede als Unruhestifter und Nestbeschmutzer beschimpft.

Nazis von nebenan werden mit Handschlag begrüßt.

Da stellt sich für mich an dieser Stelle die Frage, was unterscheidet das Nazidorf Jamel vom Nazidorf Eschede.

Ich fordere noch einmal, ein aktives Gedenken statt schweigend zu vergessen und Eschede: Lass das mit der Nazi-Scheiße.

Forum gegen Gewalt und Rechtsextremismus
Horst-Peter Ludwigs
10.08.2017